Von Jens Pöppelbuß und Carolin Durst
Das Internet der Dinge und seine intelligenten Sensoren ermöglichen uns den sofortigen Zugriff auf Informationen über die physische Welt und den Kontext einzelner Objekte. Diese Informationen sind die Basis für neue und innovative Dienstleistungen. Services, die Daten auf der Basis vernetzter, intelligenter technischer Systeme und Plattformen aggregieren, analysieren und dadurch einen Kundennutzen stiften, werden als Smart Services bezeichnet. Mit Hilfe von kontextbezogenen und (teil-)automatisierten Funktionalitäten unterstützen diese die Geschäftsprozesse des Kunden. Das rasante Wachstum intelligenter Produkte treibt die Entwicklung der Smart Services in verschiedenen Branchen wie Gesundheitswesen, Bildung, Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Maschinenbau, Automotive und Logistik massiv voran. Doch wie entwickelt man Smart Services? In diesem Beitrag stellen wir Ihnen die Smart Service Canvas vor: Ein Werkzeug zur Beschreibung, Analyse und Entwicklung von Smart-Service-Geschäftsmodellen.
→ Kostenloser Download: Produkt & Service Design Toolkit
Smart Service Canvas
Aufbauend auf der Value Proposition Canvas von Osterwalder und Pigneur umfasst die Smart Service Canvas insgesamt vier Bereiche:
- die Kundensicht,
- die Wertschöpfungssicht,
- die Ökosystemsicht sowie den
- Fit der zuvor genannten Sichten.
Der technologiegestützte Fit zwischen dem wahrgenommenen Nutzen durch den Kunden und dem angebotenen Mehrwert ist eine notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz eines Smart Service.
Kundensicht
Diese Perspektive gibt uns ein tieferes Verständnis für die täglichen Kundenaufgaben und die daraus resultierenden Kundenprobleme, die ein Smart Service lösen sollte. Dieses kundenzentrierte Vorgehen deckt neben akuten Problemen ebenfalls verborgene Bedürfnisse des Kunden auf. Bedient man diese über geeignete Bestandteile einer angebotenen Leistung, generiert man zusätzliche Kundenvorteile und übertrifft damit die Kundenerwartungen an einen Smart Service. Dadurch entsteht eine holistische Customer Experience. Service-Design-Thinking-Methoden sind nützlich, um einen Service aus Kundensicht zu gestalten. Kontextdinge und -daten dienen als Datenquelle für die Analyse des Kontexts der Kundenaufgaben. Diese Daten sind als Input für die individualisierte Ausführung von Smart Services über eine gemeinsame technische Infrastruktur und eine digitale Plattform zugänglich.
Wertschöpfungssicht
Die Verfügbarkeit relevanter Daten sowie die für ihre sinnstiftende Auswertung notwendigen analytischen Fähigkeiten sind eine zentrale Grundlage für das Angebot von Smart-Service-Geschäftsmodellen. Daten werden durch den Kontext und das intelligente Gerät selbst erzeugt, z. B. Log-Dateien mit Ortsdaten, Nutzungsdaten, Flugbahndaten oder soziale Interaktionen. Der erste Schritt ist die Erfassung der relevanten Rohdaten aus verschiedenen Quellen. Im Anschluss müssen mit Hilfe analytischer Fähigkeiten wie Ereignisverarbeitung oder Algorithmen Kontextinformationen kodiert werden, um Situationen zu identifizieren und Ereignisse auszulösen. Diese Datenanalyse-Architektur ist entscheidend für die Gesamtleistung des Smart Service. Die Wertschöpfungssicht skizziert weiterhin den Kern des Dienstleistungskonzepts eines Smart Services und beschreibt im Detail, wie die Kundenprobleme gelöst werden (Problemlöser). Zusätzlich beschreibt die Canvas im Feld Vorteilsverschaffer wie genau der Smart Service zu den positiven Effekten und Ergebnissen führt, die die Kunden benötigen oder sich wünschen.
Ökosystemsicht
Smart-Service-Ökosysteme umfassen alle für die Bereitstellung des intelligenten Dienstes notwendigen Akteure und verfügen über eine gemeinsame technische Infrastruktur und eine digitale Plattform, die die relevanten Akteure des smarten Service-Ökosystems verbindet. Mit dem Aufkommen standardisierter Schnittstellen und Cloud-Computing-Dienstes können immer mehr Unternehmen an der gemeinsamen Produktion einer Dienstleistung beteiligt werden und ein Service-Ökosystem erschaffen.
Fit
Der technologiegestützte Fit zwischen dem wahrgenommenen Kundennutzen und dem Service-Angebot ist die notwendige Voraussetzung für den Erfolg eines Smart Service. Das Ertragsmodell des Anbieters muss für den Kunden attraktiv und gleichzeitig nachhaltig sein. Der Dienstleister muss herausfinden, welches Interaktionsniveau vom Kunden gewünscht und geschätzt wird und aus technologischer Sicht umsetzbar ist. Abhängig von der Interaktion zwischen dem Anbieter der Dienstleistung und dem Kunden unterscheidet man zwischen Self Services, Machine-to-Machine Services, Provider Active Services und Interactive Services. Schließlich hängt die richtige Wahl des smarten Produkts, das die technische Grundlage für den Service bildet, stark von den technischen Fähigkeiten und Kompetenzen der Zielgruppe ab.
Smart Service Canvas Workshops
Ähnlich zur Value Proposition Canvas und der populären Business Model Canvas lässt sich das vorgeschlagene Modell flexibel einsetzen, zum Beispiel in interaktiven Workshops und unter Verwendung von Klebenotizen. In Kooperation mit ITONICS setzen wir die Smart Service Canvas gezielt im Rahmen von Innovationsworkshops für Unternehmen aus verschiedenen Branchen ein. Wenn Sie Interesse an einer detaillierten Beschreibung der Smart Service Canvas haben, können Sie uns gerne kontaktieren oder unseren Buchbeitrag dazu lesen.
Prof. Dr. Jens Pöppelbuß ist Inhaber des Lehrstuhls für Industrial Sales and Service Engineering an der Ruhr-Universität Bochum. Er forscht zu Themen des industriellen Dienstleistungs- und Innovationsmanagements. Hierbei verbindet er technische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen im Kontext einer zunehmenden Digitalisierung, Vernetzung, Kundenorientierung und Tertiarisierung der industriellen Wertschöpfung.
Prof. Dr. Carolin Durst ist akademische Rätin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Scientific Director bei der ITONICS GmbH. Bei ITONICS betreut sie die Methoden- und Produktentwicklung von wissenschaftlicher Seite und begleitet strategische Entscheidungen im Bereich Business Development.
Weiterführende Literatur
- Allmendinger, G. and Lombreglia, R. (2005), “Four strategies for the age of smart services”, Harvard Business Review, Vol. 83 No. 10, doi:10.1225/R0510J.
- Bandyopadhyay, D. and Sen, J. (2011), “Internet of things: Applications and challenges in technology and standardization”, Wireless Personal Communications, Vol. 58 No. 1, pp. 49–69.
- Lee, J.Y., Kim, M.K., La, H.J. and Kim, S.D. (2012), “A software framework for enabling smart services”, Proceedings – 2012 5th IEEE International Conference on Service-Oriented Computing and Applications, SOCA 2012, doi:10.1109/SOCA.2012.6449443.
- Osterwalder, A. and Pigneur, Y. (2010), Business Model Generation: A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers, John Wiley & Sons.
- Osterwalder, A., Pigneur, Y., Bernarda, G., Smith, A. and Papadakos, T. (2014), Value Proposition Design: How to Create Products and Services Customers Want, John Wiley & Sons, 1. Edition., available at: http://www.businessmodelgeneration.com/canvas/vpc.
- Rong, K., Hu, G., Lin, Y., Shi, Y. and Guo, L. (2015), “Understanding business ecosystem using a 6C framework in Internet-of-Things-based sectors”, International Journal of Production Economics, Elsevier, Vol. 159, pp. 41–55.
- Stickdorn, M. and Schneider, J. (2012), This Is Service Design Thinking: Basics, Tools, Cases, BIS Publishers.
- Wunderlich, N. V., Wangenheim, F. V. and Bitner, M.J. (2012), “High Tech and High Touch: A Framework for Understanding User Attitudes and Behaviors Related to Smart Interactive Services”, Journal of Service Research, Vol. 16 No. 1, pp. 3–20.