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End2End Innovation | Innovation Culture

Was Scheitern mit Innovation zu tun hat – und was nicht

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: durch die rasante Innovationsgeschwindigkeit liegt Scheitern zunehmend im Trend. Immer häufiger hören wir Gründer und Unternehmer sagen “Es ist ok zu scheitern”, “Scheitern ist ein Muss für Erfolg”. Klar, damit Innovationen überhaupt entstehen und nicht schon im Keim erstickt werden, ist es wichtig, eine gewisse Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren. Es muss möglich sein, Scheitern zuzulassen und Fehler bewusst zu betrachten. Tatsächlich führt Scheitern an sich nicht zu neuen Innovationen, es geht vielmehr darum, wie man mit dem Scheitern umgeht und welche Learnings daraus gezogen werden.

Sicherlich tolerieren wir keine Fehler beim Brückenbau oder bei der Arztbehandlung – hier erwarten wir einwandfreie Qualität. Fehlerkultur darf also nicht als Entschuldigung für schlechte Qualität verstanden werden, sondern sollte als Grundlage für neue Herangehensweisen und Ideen fungieren. Nach jedem Misserfolg sollten die Ursachen untersucht werden, um herauszufinden, wie man den Fehltritt beim nächsten Mal vermeiden kann. Dies erfordert ein Umdenken in der Unternehmenskultur und -sprache von “Risk and Failure” hin zu “Experiment and Learn”. Wie kann Scheitern also zum Hebel für Innovation werden?

Über Failure Storys und Fuckup Nights

Es ist schön Erfolgsgeschichten zu hören und von ihnen zu lernen. Aber ist es nicht viel lehrreicher die Gründe für Misserfolge zu verstehen? Die Konflikte und Anstrengungen anderer können sich als wertvolle Lernerfahrung entpuppen und Antworten auf die Frage liefern, weshalb andere in einem bestimmten Innovationsfeld zuvor gescheitert sind.

Gründer und CEO der Alibaba Group, Jack Ma, dazu: “Unsere MBA-Programme vermitteln fast ausschließlich Erfolgsgeschichten, die Menschen glauben machen sollen, dass sie leicht erfolgreich sein können. Aber erst, wenn man anfängt Geschichten über Misserfolge zu erzählen, lernen die Leute”. Jeder Fehler kann zu einer kostspieligen Lektion für ein Unternehmen werden. Solche Kosten lassen sich jedoch enorm reduzieren, indem man Dinge vermeidet, an denen andere bereits zuvor gescheitert sind. Hätten Sie gedacht, dass der Gründer von Dyson Ltd., Sir James Dyson, erst 5.126 Prototypen bauen musste, bevor er die zündende Idee hatte, die ihn zu einem Multi-Milliardär machte? Oder wussten Sie, dass in den 90er Jahren die Google-Mitbegründer Sergey Brin und Larry Page den Plan schmiedeten, einen Pizzalieferservice per Fax zu starten (was offensichtlich zu einem hoffnungslosen Unterfangen wurde)?

Sogenannte Failure Storys entwickeln sich zunehmend zu einem wertvollen Erfahrungsaustausch und Wissenserwerb. Kein Wunder, dass sich auch daraus eine globale Bewegung mit dem Namen Fuckup Nights entwickelt hat, die 2012 in Mexiko ihren Ursprung fand. In mehr als 250 Städten rund um den Globus versammeln sich nun jährlich Unternehmer, um aufrichtig Geschichten ihres beruflichen Scheiterns zu erzählen. Auch ein renommierter Professor aus Princeton, Johannes Haushofer, erregte vor einigen Jahren Aufmerksamkeit, als er online seinen “Lebenslauf der Misserfolge” veröffentlichte. Der CV enthielt neben Studiengängen, zu denen er keine Zulassung erhalten hatte auch Forschungsgelder, die ihm verwehrt und Publikationen, die abgelehnt wurden. Sein ungewöhnlicher Lebenslauf ging viral und bestätigte wiederum, dass auch vermeintlich erfolgreiche Persönlichkeiten erst zahlreiche Rückschläge und Misserfolge hinnehmen müssen, bevor sie die Karriereleiter erklimmen.

Die No-Excuse-Culture

Ausreden gehören in vielen Unternehmen zum Kerngeschäft. Ganz nach dem Motto: “Wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen”. Je größer eine Firma ist, desto einfacher wird es, einen Grund zu finden, warum ein Projekt nicht angepackt werden sollte. Aus Angst davor, in der beruflichen Realität zu versagen, werden eigene Ideen nicht umgesetzt, Chancen ungenutzt gelassen und rigoros “Finger-Pointing” betrieben. Insbesondere die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten für Ausreden. Immer sind andere schuld: die IT, die Daten, die Komplexität, die Vernetzung, das Internet, die Maschinen. Sich solcher Ausreden bewusst zu werden, ist ein erster Schritt, um sie loszuwerden. Der enorme Innovationsdruck und die Digitalisierung fordern Unternehmen heraus, weil sie mit einer Verhaltensveränderung einhergehen. Mitarbeiter müssen diesen Kulturwandel mit einem hohen Mass an Ergebnisverantwortung leben und dazu befähigt werden, Veränderungen umzusetzen, ohne sich dafür verbiegen oder fürchten zu müssen, einen Fehler zu begehen. Denn wenn jemand die persönliche Verantwortung für einen Misserfolg übernimmt, ist es wahrscheinlicher, dass diese Person aus den Fehlern lernt und anschließend lösungsorientiert denkt, kommuniziert und handelt.

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Mitarbeiter müssen also einerseits proaktiv und hands-on den Schritt wagen, persönlich ins Risiko zu gehen und etwas verändern zu wollen. Im Gegenzug sollte die Unternehmenskultur die Mitarbeiter darin bestärken und eine Fehlerkultur offen zulassen. Ein kultureller Wandel von fehlender Glaubwürdigkeit und Integrität hin zu Verantwortlichkeit, Umsetzungswille und Ehrlichkeit wird notwendig. Der Aufbau und die Aufrechterhaltung so einer “No-Excuse-Culture” in Ihrem Unternehmen erfolgt nicht von heute auf morgen. Benötigt wird hierfür ein vollständiges Wissen über Arbeitsrollen und Leistungserwartungen. Am Ende zeigt sich: “Wenn es Ihnen wichtig ist, finden Sie einen Weg. Wenn nicht, finden Sie eine Ausrede”.

Denken wie ein Wissenschaftler

Das Internet und die Kommunikationstechnologien haben neue Informationsquellen geschaffen und den Zugang zu diesen Informationen erleichtert. Sie haben uns aber auch dazu gezwungen, traditionelle Lösungsansätze in Frage zu stellen und intensiver darüber nachzudenken, welchen Informationen man als Entscheidungsgrundlage noch vertrauen kann. Unsere Versuche, logischen Prozessen zu folgen, werden ständig durch neue und störende Einflüsse herausgefordert. Die Denkweise und Herangehensweise eines Wissenschaftlers kann uns allen helfen, sich einer verändernden Welt zu nähern. Wissenschaftler sehen Scheitern in ihrer Forschung nicht optional, sondern begreifen es als integralen Bestandteil des Experimentierens, der manchmal zu bahnbrechenden Entdeckungen führen kann. In anderen Worten, sie gehen von Anfang an davon aus, dass sie auf ihrem Weg mehrfach scheitern werden – und auch müssen -, um aussagekräftige Ergebnisse hervorzubringen.

Welche Fähigkeiten und Denkweisen werden hingegen unseren Führungskräfte, Arbeitskräfte, Studenten und jungen Menschen vermittelt, um die Probleme dieses Jahrhunderts anzugehen? Im Gegensatz zur Wissenschaft beginnen Unternehmer und Manager ein Projekt in der Regel mit einem zu starken Fokus auf Erfolg und perfekt ausgefeilte Ergebnisse, anstatt auch Freiraum für Abweichungen und Neuausrichtungen zu lassen. Dies ist nur einer der Gründe, weshalb vielen Führungskräften und Unternehmern das Wissen über die Dinge fehlt, die nicht funktionieren. Wer sich nur auf Erfahrung und Intuition verlässt, kann viele Chancen verpassen. Das Gegenteil ist in der wissenschaftlichen Forschung der Fall. Experimentieren und Grenzen überschreiten wird zum Allheilmittel für Innovation. Bei ihren Innovationen achten die Wissenschaftlicher auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Neugier, Intuition und Skepsis. Ihre Arbeit wird von Neugier getrieben und von Intuition und Vorwissen geleitet – eine Herangehensweise, die auch außerhalb des Labors mehr Anwendung in unternehmerischen Entscheidungsprozessen finden sollte.

Scheitern als Teil des Innovationsprozesses

Scheitern ist ein notwendiger Bestandteil des Innovationsmanagements. Innovation ist das Ergebnis iterativer Lernprozesse und eines Umfelds, das Diversität, unkonventionelles Denken, kritisches Hinterfragen, Debatten und Teams mit komplementären Fähigkeiten fördert. Indem man den eigenen Mitarbeitern die Freiheit zu innovieren und zu experimentieren gibt, geben Sie ihnen automatisch auch die Möglichkeit zu scheitern. Woran die meisten von uns jedoch am Ende versagen, ist nicht das Scheitern selbst, sondern aus den Misserfolgen wertvolle Erfahrungen zu ziehen. Sich als Team oder Organisation die Zeit zu nehmen, über die Gründe des Scheiterns nachzudenken und eine “Culture of productive Mistakes” zu etablieren führt schlussendlich zum Anregen wertvoller Impulse und Beschreiten neuer Wege.